Warum ist es so schwer, einfach abzunehmen?
Wenn das nicht reicht, dachte ich, dann muss ich mehr wissen über diesen ganzen Ernährungskram und hab dann Ernährungswissenschaften studiert. Nicht nur, dass ein großer Teil der Dinge die ich gelernt habe heute total veraltete und überholt sind. Sie bringen nur sehr bedingt einen Nutzen, wenn man dauerhaft etwas verändern will.
Warum ist das so und was kann man tun?
Natürlich ist das ein wahnsinnige komplexes Thema aber ich versuche ein paar Punkte kurz zu umreißen um zumindest einen Überblick fürs Erste zu geben.
Unser Gewicht und unser Körperbau sind genetisch festgelegt. Wir haben einen Bauplan und einen sogenannten Gewichtssetpoint der besagt bei welcher Gewichtsspanne wir uns am wohlsten und gesündesten fühlen. Diese Spanne kann so zischen 5-10 Pfund variieren aber eben nicht 20 oder 50. Das besagt nicht, dass jemand der 130 Kilo wiegt maximal 5 Kilo verlieren kann. Es bedeutet, dass wenn ein genetisches Gewicht bei 130 Kilo liegt, dann ist es sinnlos, zu versuchen dies auf 70 verändern zu wollen.
Wo genau sich dieser Setpoint für den Einzelnen befindet, hat absolut nichts mit dem BMI oder ähnlichen Berechnungen zu tun. Es gibt Menschen, die sind von Natur aus dicker oder dünner als andere und das ist auch nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur, wie es ist. (Wie Du herausfindest, wo dein Setpoint liegt, findest Du im Kurs.) So sehr wir also einem Ideal entsprechen wollen, es ist nicht möglich aus einem Pykniker (einem kleinen, stämmigen Menschen) ein Leptosom zu machen (einen eher hageren, großen Menschen). Natürlich haben äußere Faktoren einen Einfluss. Sport und auch Ernährung aber eben nicht ansatzweise in dem Maß wie es uns gerne erzählt wird.
Die BMI Lüge und die Massenhysterie:
Viele von uns berechnen ihren BMI und stellen voller Erschrecken fest, dass sie in die Gruppe der Übergewichtigen gehören. Wir fühlen uns bestätigt in der Annahme, dass die Zeitungen recht haben und eine Adipositas-Epidemie auf uns zurollt und wollen mit aller Macht verhindern dieser zu erliegen.
Der BMI berechnet sich wie folgt: Man teilt die Masse eines Menschen (in KG) durch das Quadrat der Körpergröße (in Meter).
Ist der Wert größer, als 25 gilt der Mensch als übergewichtig, über 30 lautet die Diagnose Adipositas.
Schauen wir uns an, wie dieser Wert entstanden ist und was er wirklich über unsere Gesundheit aussagt: Die Berechnung des BMI ist bereits 1832 von Adolphe Quetelet (Statistiker) erfunden und von Ignaz Kaup (Sozialhygieniker) weiterentwickelt worden. Es handelt sich um eine rein mathematische Formel, die nicht einmal mit Medizinern entwickelt wurde.
Der BMI berücksichtigt weder das Geschlecht noch das Alter noch den Körperbau einer Person, geschweige denn irgendwelche Labordaten über den Gesundheitszustand des Menschen.
Trotzdem nehmen sich Krankenkassen heraus einen höheren Beitrag von Menschen mit hohem BMI zu kassieren, auch wenn dieser einer großen Körperlänge oder einer ausgeprägten Muskulatur zu verdanken ist.
Sehen wir uns das Gewicht von Vladimir Klitschko an, der bei einer Körpergröße von 1,98 M 109,6 kg wiegt und somit einen BMI von 27,8 vorweist. Somit scheint Herr Klitschko in der Risikogruppe der Übergewichtigen gelandet zu sein, was absurder nicht sein könnte. Zudem wird beim BMI nicht berücksichtig, welche Fettverteilungsmuster vorliegen oder welche Konstitution.
Interessant ist auch die Frage: „Wie sieht es eigentlich mit der Lebenserwartung der unterschiedlichen BMIs aus?“ Bei dieser Betrachtung kommt erstaunlicherweise heraus, dass Personen mit einem höherer BMI (25-30) länger leben als welche mit einem niedrigen oder normalen BMI (18,5-25). Sogar dann, wenn diese einen Typ II Diabetes aufweisen.
Haben also 52,9 % der deutschen Männer einen BMI von 25-30, müssten wir vor Begeisterung in die Luft springen, statt Angst zu schüren.
Lediglich bei Menschen mit einem BMI über 35 und Menschen mit einem BMI unter 18,5 dürfte man sich Gedanken machen.
Ein BMI von 18,5 ist für ein Model oft schon eher zu dick für bestimmte Jobs.
Woher stammen die Zahlen, die so gerne zitierten werden? Die Grundlage der Panikmeldungen kommen von der International Association for the Study of Obesity (IASO) für 25 europäische Länder.
Laut dieser Studie sind 75,4 % der Deutschen übergewichtig. Diese Daten sind weder nach Geschlecht noch nach Alter unterschieden worden.
Es wurden Menschen zwischen 25 und 69 Jahren befragt. Ein älterer Mensch ist von Natur aus dicker als ein Mensch in jungen Jahren.
Zudem sind die jüngeren Menschen unter 25 nicht einmal befragt worden. Man hat also nicht alte Menschen in Deutschland mit alten Menschen in Frankreich verglichen, sondern einfach alles über den Daumen gerechnet.
Auch die IASO selbst hält die Daten nicht geeignet für den Ländervergleich.
Aber die Presse, die Politik und unsere Regierung scheinen sich über die Nachricht wir müssen etwas gegen Übergewicht unternehmen unheimlich zu freuen.
Nachfolgend schreibt einer vom anderen ab und wir sind kurz vor dem Übergewichtssupergau. Was für ein großartiges Beispiel für Massenhysterie ohne Grund – aber alle sind beschäftigt und verdienen Geld.
Wie sieht es denn eigentlich mit dem Gewicht der Kinder aus? Ist es wirklich so gravierend, wie es behauptet wird?
Auch hier kursiert eine Meldung, die immer und immer wieder abgeschrieben wurde, nämlich, dass die Kinder die heute in Großbritannien aufwachsen ihre Eltern nicht überleben würden, wenn es mit der Ernährunssituation so weiter gehe. Die Kinder würden dann vor ihren Eltern an Diabetes Typ II sterben.
Abgesehen davon, dass diese Berichterstattung nicht auf Studien oder Grundlagen basieren ist sie absolut unhaltbar. Sehen wir uns die Zahlen in Deutschland an und beachten auch hier, dass weder berücksichtig wurde, dass der BMI nicht aussagekräftig ist noch, dass sich der Körperbau von Kindern verändert hat.
(Die guten Lebensbedingungen von heute lassen Kinder deutlich größer werden als früher.) Selbst dann, kommen wir zu folgendem Ergebnis:
6,3 % der Kinder sind fettleibig
8,7 % sind übergewichtig
78 % der Kinder sind normalgewichtig
5,1 % sind untergewichtig und
1,9% stark untergewichtig.
Macht nach Adam Riese 85 % Kinder mit Normal- oder Untergewicht.
Auffällig an diesen Daten ist noch, dass der Anteil von dicken Kindern in sozial benachteiligten Familien und in Familien mit Migrationshintergrund zu finden sind. Die hier genannten Migranten sind in der KIGGS Studie besonders türkisch stämmige Kinder. Hier muss, berücksichtig werden, dass andere Ethnien und Volksgruppen andere Fettverteilungsmuster und türkisch stämmige Kinder von Natur aus einen höheren BMI aufweisen. Sie benötigen also weder Ernährungsschulung noch Therapie, sondern einfach nur jemanden, der sie in Ruhe lässt.
Lediglich die Kinder sind dicker geworden, die prozentual schon immer vorhanden waren.
Dass wir also das Gefühl haben, mehr dicke Kinder zu sehen, liegt nicht an den tatsächlichen Zahlen, sondern daran, dass dicke Menschen in unserer Gesellschaft so gerne zur Schau gestellt werden – siehe Sendeformate wie The Biggest Loser.
Je mehr wir Kinder und verunsicherte Eltern auf das Thema Gewichtsabnahme bei Kindern setzen, umso mehr werden diese das Verhalten ihrer Kinder kontrollieren und bewerten und den Kindern die Kompetenz, für Hunger und Sättigungsgefühl und dem Körper vertrauen zu können aberziehen.
Ich denke da, kommt eher eine Flut an essgestörten Kindern auf uns zu als an diabetischen Kindern.
Je mehr Kinder und natürlich auch Erwachsene dazu erzogen werden sich Dinge zu verkneifen, umso mehr Fressanfälle, Frust-Essen, Belohnungs-Essen und vor allem vermindertes Selbstwertgefühl werden diese haben.
Wenn dicke Menschen also immer dicker werden, dann durch Diäten und der Diskriminierung ihres Körpers bis hin zum Body und Fat-Shaming.
Ob bei Erwachsenen oder Kindern, Menschen die mit dem Gewicht kämpfen gelten als schwächer, undisziplinierter, unsympathischer und weniger leistungsfähig.
Nicht weil sie mehr essen, sondern weil ihr Körperbau zufällig nicht dem eines Athleten entspricht.
Gerade da, wo die größten Anstrengungen unternommen werden abzuspecken, wie in den USA gibt es einen Gewichtsanstieg bei Kindern.
Ist doch auch logisch oder? Konzentriere Dich mal so richtig doll darauf, so mit aller Macht, den Kuchen nicht zu essen. Was passiert? Genau, schon ist er verputzt.
Studien (Myles Faith, Psychologe der Universität of Pennsylvania, an der medizinischen Fakultät) zeigten, wenn Eltern sich Sorgen um das Gewicht ihrer Kinder machen, nehmen diese überdurchschnittlich zu. Ganz besonders die Kinder in der Hochrisikogruppe.
Versuchten die Eltern, die Nahrungsaufnahme zu beschränken, nahmen alle Kinder zu. Stark überproportional jedoch die Hochrisikogruppe.
Einen gewichtssteigernden Einfluss hatte auch eine gesteigerte Gewichtswahrnehmung (wie das regelmäßige Wiegen).
Fühlten Eltern sich für die Ernährung besonders verantwortlich, nahmen die Kinder in der Niedrigrisikogruppe stark ab, während die Gewichtsentwicklung in der Hochrisikogruppe davon unbeeindruckt blieb.
Versuchten Eltern den Fettverzehr zu überwachen, nahm die Niedrigrisikogruppe stark ab, die Hochrisikogruppe leicht zu.
Versuchten die Eltern das Motto umzusetzen „ iss Kind, damit was aus dir wird“, also große Portionen austeilten, nahmen alle Kinder deutlich ab.
Wir bringen Kindern mit den Abspeckprogrammen bei, dass sie so wie sie sind, nicht gut genug sind. Dass sie ihrem Körper nicht vertrauen dürfen, sich zusammen reißen sollten, um geliebt zu werden. Wir malen ihnen Zukunftsszenarien aus, die ihnen sagen, dass sie nichts werden können in dieser Welt. Keinen Partner finden, keinen Erfolg haben werden. Sie werden wahrscheinlich nicht den Selbstwert haben sich zu zeigen, sich zu behaupten, sondern sich eher verstecken und zurücknehmen. Wenn ich keine Anerkennung für mein Aussehen bekomme, dann doch zumindest dafür brav zu sein. Dafür nicht aus der Reihe zu tanzen und mich ruhig zu verhalten.
Gerade Mädchen kämpfen oft ein Leben lang gegen einen Körper voller Makel, entspricht er doch nicht dem der Models. Sowohl Kinder als auch Erwachsene kämpfen ständig mit ihrer Unsicherheit aufgrund des Gewichts bzw. ihres Wertes und sind dadurch im Dauerstress. Stress durch die Diskriminierung, die Sorge der Eltern, die Einschränkungen, den Druck Sport zu machen, nicht gut genug zu sein.
Dieser Stress sorgt nicht nur für die Umverteilung des Körperfettes, sondern auch für vermehrten Appetit, Selbstzweifel, Scham und dem Wunsch nicht da zu sein.
Dicke Menschen gehen weniger Schwimmen und stellen sich weniger zur Schau der Wettbewerben im Sport, um nicht verspottet zu werden. Sie gehen weniger zum Arzt, denn wer möchte ständig hören er solle abnehmen, ohne ein funktionierendes Konzept oder der Kenntnis des Arztes, dass der BMI Schrott ist?
Natürlich gibt es wundervolle Ausnahmen!
Dass was uns Menschen wirklich krank macht, ist nicht das Gewicht, sondern der gesellschaftliche Umgang damit. Werte wie der BMI, der nur dünne, kleine Menschen gut aussehen lässt und alle anderen bestraft, obwohl längst bewiesen ist, wie schwachsinnig der Wert ist.
Was hier deutlich wird, ist:
Mollige Kinder und auch Erwachsene brauchen weder die Sorge der Eltern/Gesellschaft noch die Essensbeschränkungen. Beides führt zur überproportionalen Zunahme.
Schlank zu sein ist ein Privileg, wie weiß zu sein oder ein Mann zu sein oder in einer reichen Welt zu leben. Keines davon geht auf unser Können unser Dazutun oder unseren Erfolg zurück.
Was ist also die Lösung?
Aus meiner persönlichen Sicht gibt es nur die Möglichkeit zurück zur Basis zu gehen. Wieder zu lernen so zu essen, wie die Natur sich das einst überlegt hat:
Intuitiv! Dem Körper vertrauend, frei von Zwängen die uns krank machen und frei von Schönheitsvorstellungen denen 98,8 Prozent aller Menschen nun mal nicht entsprechen.
Ich denke wir müssen lernen uns zu emanzipieren, wenn wir nicht wollen, dass der Druck schlank sein zu müssen und krank und klein macht. Es ist unser Geburtsrecht gesund und glücklich zu sein und wir haben die Möglichkeit uns gegen die Gelddruckmaschine „Du bist nicht schlank genug“ zu wehren.
Wir haben ein Recht darauf uns gut zu ernähren, gut für uns zu sorgen, uns zu lieben und anzuerkennen. Und dieses auch an unsere Kinder weiterzugeben: Zuversicht und Vertrauen in sich selbst, den eigenen Körper und die eigenen Fähigkeiten.
Wie das gehen kann?
Wir können lernen Intuitiv zu essen, ein Programm in 10 Schritten, dass uns wieder zu einem gesunden Essverhalten führt.
Unser Body Image zu verändern, sprich unser Bild, dass wir von uns selbst und unserem Körper haben.
Unseren Selbstwert erhöhen, indem wir an uns und unserer Geschichte arbeiten und lernen, dass sich die Vergangenheit zwar nicht verändern lässt aber unser Blickwinkel schon.
Wir können lernen, wie wir unsere Bedürfnisse wieder wahrnehmen, ihnen nachkommen und gut für uns sorgen. Nicht nur mit nahrhaftem Essen, sondern auch in unseren Beziehungen zu anderen Menschen wie den Eltern, dem PartnerIn, Kindern, Geschwistern, Vorgesetzten usw.
Wenn wir lernen wollen uns zu emanzipieren, müssen wir zuerst einmal wissen, wo in unserer Welt wir die Glaubenssätze, dass dünn gut und gesund und dick schlecht und ungesund sein muss, uns überall begleitet. Wir müssen lernen die Fakten zu unterscheiden und uns einen Weg erarbeiten durch den Dschungel der Fehlinformationen hin zu einem gesunden, individuellen Lifestyle, der zu uns passt.